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Die angeblichen Kreuznägel Jesu

Geschäftemacherei zu Ostern - Betrug am TV-Zuschauer

Simcha Jacobovici bei seiner Pressekonferenz in Jerusalem am 13.4.2011. In seinen Händen hält er die angeblichen Kreuznägel Jesu.

Kleines Bild oben: Fersenbein eines Gekreuzigten - einziger archäologischer Beleg für die grausame Hinrichtungspraxis der Römer.

Kleines Bild unten links: Ossuar (Gebeinskasten) aus dem Familiengrab der Kaiphassippe.

Kleines Bild unten rechts: Schädel mit dem Geld für den Fährmann aus dem Ossuar von Miriam.

Fotos: © Ulrich Sahm & Alexander Schick
 

Alle Jahre wieder ...

Das unsägliche Geschäft mit Jesus zur Osterzeit

 

 

Zwei kleine römische Nägel, 1990 im Jerusalemer „Friedenspark“ südlich des Tempelbergs in einer Grabhöhle entdeckt, sollen angeblich jene Nägel sein, mit denen die Hände Jesu am Kreuz befestigt wurden. Das hat der bekannte „Journalist“ und Filmemacher Simcha Jacobovici bei einer gut besuchten Pressekonferenz in Jerusalem behauptet.

 

Die Aufsehen erregende Entdeckung wurde Journalisten schon zwei Tage zuvor per Email mitgeteilt, mit der strikten Anweisung, kein Wort darüber vor Beginn der Pressekonferenz zu veröffentlichen. Auf Anfrage, wieso sich die israelische Zeitung Haaretz nicht an die Sperrfrist halten musste,  sagte einer der Veranstalter: „Kaum jemand kann doch Hebräisch lesen. Auf Englisch wurde nichts veröffentlicht.“ So war deutlich, dass die Vorstellung der Sensation vor allem eine ausgeklügelte PR-Aktion des Geschäftemachers Jacobovici war, der vor zwei Jahren einen weltweiten Wirbel mit seinem erfolgreichen "Dokumentar"-film über das angebliche Grab der kompletten Familie Jesu ausgelöst hatte. Seine pseudowissenschaftlichen Thesen wurden zwar von der Fachwelt in kürzester Zeit entkräftet, dennoch wurde die TV-Doku auch in Deutschland zu bester Sendezeit während der Osterfeiertage ausgestrahlt. Jacobovici vermeintliche „Entdeckungen“ gelten unter Wissenschaftlern als unseriöse Spekulationen.

 

Bei dem neuen Fund soll es sich nun angeblich um die Kreuznägel Jesu handeln. Diese Nägel wurden in einer Grabhöhle in und neben einem Ossuar (Knochenkasten) gefunden mit dem extrem seltenen eingeritzten Namen in althebräischer Schrift „Josef, Sohn des Kaiaphas“. Fast ohne Widerspruch folgen die meisten Wissenschaftler der Identifizierung der Entdecker Zvi Grinhut und Ronni Reich, dass es sich hierbei um das Familiengrab des Hohepriesters Kaiaphas handelte. In den Jahren 18 bis 36 hielt Kaiaphas das höchste Amt eines Juden unter römischer Besatzung inne. Jesus von Nazareth wurde als „König der Juden“ bezeichnet, was die herrschende Priesterkaste als Revolte auffasste. Wie im Neuen Testament berichtet, konnte Kaiaphas Jesus nicht selber zum Tode verurteilen. So überantwortete der Hohepriester Jesus von Nazaretht nach dem religiösen Prozess den römischen Prokurator Pontius Pilatus. Der verurteilte Jesus zum Tode,  nachdem er seine „Hände in Unschuld gewaschen“ hatte.

 

„Rechtzeitig zu Ostern“, so die Einladung zur Pressekonferenz, hat der kanadisch-israelische Filmemacher Jacobovici einen 45 Minuten langen und etwa 800.000 Dollar teuren Film über seine Suche nach den beiden Nägeln vom Kreuz Jesu gemacht. Der Film wird nun weltweit im Fernsehen gezeigt, sogar im israelischen Fernsehen.

 

Die Geschichte der krummen Nägel, die Jacobovici vor der Presse hoch hielt, hat mehrere Haken. Denn die Archäologen haben tatsächlich zwei Nägel gefunden und ordentlich registriert, aber weder fotografiert noch aufbewahrt. Die Nägel blieben verschwunden. „Die israelische Antikenbehörde wollte einen wichtigen Fund verschwinden lassen, um sich nicht mit dem Christentum anzulegen“, spekulierte Jacobovici, während der ebenfalls anwesende Archäologe, Professor Gabriel Barkay von der Bar Ilan Universität widersprach: „So etwas hat es nie gegeben. Das Verschwinden der Nägel war eine schlimme Schlamperei, ein Fehler von Reich und Grinhut.“ Mit einem Filmteam machte sich Jacobovici auf die Suche nach dem Kaiaphas-Grab. Das wurde beim Bau einer Straße zufällig entdeckt, erforscht, versiegelt und zugeschüttet. Weil die Israelische Antikenbehörde sich weigerte, mit Jacobovici zu kooperieren, musste er im Park „neben einem Spielplatz“ das Grab suchen. Dabei half ihm eine Sitte orthodoxer Juden. Auch bei 2000 Jahre alten jüdischen Gräbern müssen die „Seelen“ mit dem Himmel kommunizieren können. In die Höhlendecke wird deshalb ein Loch gebohrt. Darein wird ein grünes Stahlrohr gesteckt, das dann etwas sinnlos aus dem Boden ragt. Jacobovici ließ eine Mini-Kamera in das Grab herab, „um die verschollenen Nägel zu suchen“. Natürlich erfolglos. Daraufhin besuchte er das Labor von Professor Israel Hershkowitz an der Universität Tel Aviv. Der hatte tatsächlich „ungefähr“ vor 18 Jahren zwei Nägel „aus Jerusalem“ erhalten. Darum sponn Jacobovici nun seine „Geschichte“. Die hat jedoch laut Professor Barkay  nichts aber auch gar nichts „mit Archäologie und Wissenschaft“ zu tun.

 

Jacobovici erzählte den kopfschüttelnden Journalisten von BBC, CNN, ZDF und dpa, dass im Judentum nur „Nägel von Gekreuzigten“ einem Toten als Grabbeigabe mitgegeben würden, weil sie Seelenheil in der Nachwelt versprächen. Barkay hingegen widerprach als Archäologe, dass Nägel in einem Zimmer, in dem ein Toter lag, „unrein“ seien, herausgenommen und mit dem Toten ins Grab geworfen wurden. Ebenso wurden mit Nägeln die Namen der Verblichenen auf die Knochenkästen geritzt.

 

Für Kaiaphas seien laut Jacobovici das Verhör und die Übergabe Jesu an Pilatus die „wichtigste historische Tat“ seines Lebens gewesen. Kaiaphas habe seine Tat vor seinem Tod im Alter von 60 Jahren bereut und sei einer der ersten Gläubigen Jesu geworden. So der Filmschaffende unter Berufung auf ein obskures arabisches „Kaiphas-Evangelium“ aus dem 6. Jahrhundert (zu den gnostischen sog. "Evangelien" und ihrem angelichen historischen Wert siehe www.sakrileg-betrug.de/sakrileg/hintergrund-zwei.php).

Deshalb (weil Kaiphas angeblich einer der ersten Christen geworden wäre) habe er nach seinem Tod die Nägel in seinen Knochenkasten legen lassen. Eine kritische Journalistenfrage dazu beantwortete Professor Barkay: „Wir haben Ossuarien mit den Knochen eines halben Menschen und andere mit anderthalb Toten gefunden. Nachdem das Fleisch verwest war, haben wohl professionelle Totenarbeiter die sterblichen Überreste pietätlos zusammen mit Parfümflaschen, Münzen und was sonst in der Grabhöhle herumlag, in die Knochenkästen gepackt.“

 

Während Wissenschaftler davon ausgehen, dass ein wunderbar steingemetzelter Knochenkasten mit der Aufschrift „Josef, Sohn des Kaiaphas“ die Knochen des berühmten Hohepriesters enthielt, hatte sich Jacobovici von der Antikenbehörde einen zweiten, wesentlich schlichteren Kalkstein-Kasten mit dem Namen „Kaffaa“ aus der gleichen Grabhöhle ausgeliehen und mitgebracht (siehe oben - kleines Bild links unten). Zwischen zwei Rosetten, die laut Barkay mit einem „Kompass“ eingeritzt und nur „Verzierung ohne Bedeutung“ seien, sieht man drei Stufen, eine Säule und sieben nach oben zeigende Pfeile. Jacobovici hatte dazu eine bedeutsame „Erklärung“: Michaelangelo hatte in der sixtinischen Kapelle im Vatikan eine Säule gemalt, die weggetragen wird. Also ist auch das eindeutig eine symbolische Abbildung des Kreuzes, knapp sechs Jahre nach der Kreuzigung Jesu auf die Breitseite eines Ossuars geritzt. Und schließlich machte Jacobovici noch zwei „Nägel mit Köpfen“ ausfindig. Zwei kleine Kreise rechts und links der Rosetten identifizierte Jacobovici als „Nagelköpfe“. Professor Barkay konnte über soviel "archäologisches Fachwissen", das nichts als reine Spekulation darstellte, nur noch schmunzeln: „Die beiden Kreise sind reine Füller, bedeutungsloser Zierrat.“

 

Mit seiner TV-Doku wird Jacobovici wieder für einige Diskussionen in der Medienlandschaft auslösen, auch wenn die Fachwelt ihn mit Missachtung straft. Der deutsche Schriftrollenforscher Professor Claus-Hunno Hunzinger urteilt über solche Phänomene: "Die Leute sind von einer solchen religiösen Ahnungslosigkeit, dass sie jeden Blödsinn glauben und auf den Leim gehen. Gegen Argumente kann man wissenschaftlich argumentieren, gegen pure Phantasien hat man nichts entgegenzusetzen, das ist wie der Kampf von Don Quichote gegen die Windmühlen", so der Professor für Religionsgeschichte.

 

Dabei hat das Grab des Kaiphas eine ganz andere Aufemerksamkeit verdient. In einem der Ossuarien (mit der Aufschrift Miriam) befanden sich die Überreste einer Frau (Tochter von Kaiphas?). Im Schädel, auf dem Gaumen, wurde eine gut erhaltene Münze des Königs Herodes Agrippa I. aus dem Jahre 42/43 n.Chr. entdeckt (siehe kleines Bild rechts unten im Bild oben). Die Münze im Mund ist nicht anderes als die heidnisch-griechische Sitte, dem Toten eine Münze als Fährgeld für den Fährmann Charon zu geben. So sollte der Tote die Überfahrt des Flusses Styx ins Totenreich Hades bezahlen können.

Mitten in der Familie des jüdischen Hohenpriesters wurde also - im drastischen Widerspruch zum jüdischen Gesetz - heidnischer Aberglaube praktiziert! Wenn aus diesem Umfeld die Aufforderung kam, Jesus als Verräter am Glauben der Vorväter hinzurichten, dann ist das die eklatanteste Form von Heuchelei. Jesus hatte die ganze hohepriesterliche Familie samt Anhang als Heuchler bezeichnet. Für den verstorbenen Forscher Prof. Carten Peter Thiede war dieser Fund mehr als bedeutsam, belegte er doch, dass Kaiphas heidnischen Aberglauben in seiner Familie duldete. Jesu Urteil von der hohenpriesterlichen Heuchelei war so archäologisch in eindrucksvoller Weise bestätigt worden. Auch der religiöse Prozess gegen Jesus war eine reine Farce. Obwohl Kaiphas alles tat, um den Prozess gegen Jesus nach dem "Buchstaben des Gesetzes" durchzuführen, stand das Todesurteil Jesu schon vor Jesu Verhaftung fest (vgl. Matthäus 26, 1-5).

 

Noch ein weiterer Grabfund verdient eine besondere Erwähnung. Als nach dem Sechs-Tage-Krieg (1967) umfangreiche Ausgrabungen durch israelische Wissenschaftler in der Umgebung von Jerusalem durchgeführt wurden, machten die Archäologen in Giv’at Ha-Mivtar (nordöstlich von Jerusalem) einen grausamen Fund. Es wurden mehrere Gräber aus der herodianischen Zeit entdeckt. Einer der Särge enthielt noch die Gebeine eines Mannes namens „Yohanan (Johannes) Ben-Hazkul“. Im Alter von 25 Jahren war der Mann gekreuzigt worden. Im rechten Fersenbein steckte noch der 11 cm lange Eisennagel. Beim Anschlagen an das Kreuz hatte sich der Nagel so verbogen, dass er bei der Abnahme des Körpers vom Kreuz nicht mehr entfernt werden konnte. (kleines Bild links oben). Dieser Fund ist die erste archäologische Bestätigung für die in Johannes 20,25-27 vorausgesetzte Annagelung an das Kreuz. In den bekannten Versen, die von dem „ungläubigen“ Thomas handeln lesen wir:

„Da sagten die anderen Jünger zu Thomas: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen das Mal der Nägel sehe und meine Finger in das Mal der Nägel lege und lege meine Hand in seine Seite, so werde ich nicht glauben. Und nach acht Tagen waren seine Jünger wieder drinnen und Thomas bei ihnen. Da kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und trat in die Mitte und sprach: Friede sei mit euch! Dann spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ Als Thomas die Wunden sah, die durch die Kreuzigung verursacht worden waren, antwortete und sprach er zu Jesus: „Mein Herr und mein Gott!“

Diese Begegnung des Thomas mit dem Auferstandenen ist immer wieder bildlich dargestellt worden, ebenso wie die Kreuzigung. Doch durch den Fund von Giv’at Ha-Mivtar wissen wir heute, dass die Römer bei den Kreuzigungen die Füsse seitlich am Holz festnagelten und nicht vorne überkreuz, wie es auf den christlichen Kreuzigungsszenen meist dargestellt ist. Der Tod am Kreuz trat erst nach Stunden durch die Lähmung der Atmungsmuskulatur ein. Der Verurteilte erstickte qualvoll. Eine brutalere Hinrichtungsart kann man sich nicht vorstellen! So war es auch bei Jesus, als er die letzten Worte rief: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lukas 23,34).

 

Ein Replikat dieses Fersenbeins hatte auch Jacobovici bei seiner Pressekonferenz dabei (auch im Israel-Museum wird nur ein Replikat ausgestellt, weil orthodoxe Juden gegen die Zurschaustellung von menschlichen Überresten protestieren würden). Doch dieser Fund ist schon lange bekannt und wurde in der Fachliteratur ausführlich beschrieben. Man kann sich des Eindrucks nicht verwehren, dass sich Jacobovici solcher bedeutsamer archäologischer Fundstücke bedient, um seine unhaltbaren Spekulationen medienwirksam in der Welt bekannt zu machen. Dies hat nichts mit Archäologie oder historischer Forschung zu tun ,sondern wohl eher mit den kleinen metallischen Gegenständen,  die auf den Tischen lagen, als Jesus diese bei der Vertreibung der Wechsler im Tempelareal umstiess. Der Judasverrat brachte damals 30 Silberscheckel ein. Heute verdienen manche Leute sehr viel mehr Geld mit ihren abstrusen Behauptungen über Jesus von Nazareth.

 

 

 

Artikel mit freundlicher Genehmigung von ULRICH SAHM / Jerusalem www.usahm.de

erweitert von ALEXANDER SCHICK / Bibelausstellung Sylt