Kopfbild

Das Echternacher Evangelistar ca. 1030 n.Chr.

Evangelienauswahl mit wunderschöner Miniaturmalerei

 

Bild oben: Minaiturmalerei links zeigt die Himmelfahrt Christi.

 

Das Echternacher Evangelistar

11. Jahrhundert – Bibliothèque royale de Belgique, Brüssel, ms. 9428

In einem der berühmtesten Skriptorien des Abendlandes im Hauskloster der Salierkaiser entstand diese Prunkhandschrift um 1030. Die wunderbaren Darstellungen in Purpur und Gold aus dem Leben Jesu vereinen spätantike, karolingische, byzantinische und insulare Ideen mit zeitgenössischer Formensprache.

 

Künstlerische Meisterschaft in der Zeit der Salierkaiser

Die kostbar ausgestatteten Bilderhandschriften aus dem Echternacher Skriptorium sind weltberühmt. Einer dieser Schätze gehört heute zu den gut gehüteten Schmuckstücken der Handschriftenabteilung der Bibliothèque royale de Belgique in Brüssel: das Echternacher Evangelistar, eine Prunkhandschrift aus der Zeit der Salierkaiser.

 

Einfallsreiche Schöpfungen aus harmonischen Farben und strahlendem Gold

Das Echternacher Evangelistar eröffnet mit allem denkbaren Luxus: Nach zwei Purpurseiten mit Seidenstoffimitationen – gleichsam eine Hülle des noch ungebundenen Buches – folgt eine wunderbare Darstellung der Majestas Domini auf königlichem Purpur und Goldgrund. Das bedeutendste Symbol für die höchste überweltliche Macht konnten die Künstler nicht kostbar genug darstellen! Auf den anschließenden Seiten beeindrucken vier Evangelistenporträts, der Bilderzyklus zum Evangelium sowie Miniaturen zu zwei Heiligen durch den großzügig aufgetragenen Goldgrund.

 

Auf 155 Folios begegnen insgesamt 41 goldgeschmückte Miniaturen, 13 reich geschmückte Textzierseiten sowie über 250 mehrzeilige, phantasievoll verschlungene Goldinitialen. Bei dieser Ausstattungsfreude ist es leicht nachzuvollziehen, warum Echternach im 11. Jahrhundert zum Hauskloster der Salierkaiser wurde – ähnlich, wie zuvor die Reichenau unter den Ottonen zum ersten Kloster im Reich wurde.

Doch nicht nur die Ausstattung des Echternacher Evangelistars beeindruckt den Betrachter damals wie heute, auch die qualitätvolle Malerei mit ihrem innovativen Bildprogramm sucht ihresgleichen.

 

Eines der berühmtesten Skriptorien des Abendlandes

Die Gründung der Abtei Echternach geht auf einen Angelsachsen zurück, und zwar auf Willibrord aus Northumbria. Der fromme Mann wagte sich im Jahre 690 mit elf Gefährten in die unwirtliche Gegend Frieslands, um dort die ungestümen Einwohner zu missionieren. Ausgangspunkt seiner Tätigkeit war Utrecht, doch sein neues Zuhause sollte schon bald eine eigene Abtei sein, Echternach im heutigen Luxemburg.

Aus bescheidenen Anfängen schufen die Echternacher Mönche in den folgenden Jahrhunderten mit der Abtei eine Bibliothek, die im 11. Jahrhundert eine der reichsten der Region wurde. Das angeschlossene Skriptorium wurde berühmt für Prunkwerke der Buchmalerei, die sich in die Reihe der großen künstlerischen Leistungen des Abendlandes einreihen. Das Echternacher Evangelistar entstand wahrscheinlich um das Jahr 1030, zur Zeit der Hochblüte der Echternacher Buchkunst.

 

Bewegende Bilder aus dem Leben Jesu

Im salischen Echternach entwickelte sich damals eine ganz eigene Formensprache. Grundlage dafür waren sowohl ältere – also spätantike, karolingische, byzantinische und sogar insulare – Vorlagen wie auch zeitgenössische. Die Künstler des Echternacher Skriptoriums nahmen all diese Ideen auf und verschmolzen sie zu einem unverkennbaren Profil. Der reichhaltige Stoff der vier Evangelien bot eine Vorlage, die wie geschaffen war, in bewegende Bilder umgesetzt zu werden.

Auch wenn viele Szenen scheinbar einem genau festgelegten Schema folgten, wichen die Echternacher Mönche in der Bildkomposition gern auch von der zu ihrer Zeit üblichen Darstellung ab. So schufen sie mit der Verkündigung an die Hirten eine in sich geschlossene Miniatur und begriffen die Hirten nicht als Teil der Szene mit der Geburt Christi. Die wunderbar leuchtenden Farben korrespondieren dabei in perfekter Weise mit dem Gold im Rahmen und in den Nimben.

 

So sahen Mönche das Leben des einfachen Volkes

Absolut ungewöhnlich ist der Zyklus von sieben Bildern zum heiligen Stephanus. In keiner anderen Handschrift in der Geschichte der Buchmalerei ist eine ähnlich ausführlich gestaltete Bilderfolge zu dem Märtyrer bekannt.

Der Zyklus setzt nicht nur das Suchen und Finden der Gebeine des Heiligen in beeindruckende Bilder um, sondern thematisiert auch das Leben und Arbeiten des einfachen Volkes. Grabungsarbeiten mit Hacke und Spaten werden ebenso gezeigt wie die Bezahlung von Winzern mit Goldstücken.

 

Text und Foto von der Verlagsseite www.faksimile.de